Camilla: von der meistgehassten Frau Englands zur Queen Consort (2024)

Die verstorbene Prinzessin Diana war die «Königin der Herzen» – ihre Rivalin Camilla ist nun die Königsgemahlin. Die Königsfamilie wie das ganze Land haben die einst verhasste Frau an der Seite von König Charles zu akzeptieren gelernt. Sie gibt ihm Stabilität und Glück.

Marion Löhndorf, London

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Heute ist Camilla, Queen Consort, die Königsgemahlin, eine abgeklärte Dame von 75 Jahren. Eine uneitle Frau in bequemen Kleidern und mit einer Frisur, die an den Stil der siebziger Jahre erinnert. Dass sie einmal im Zentrum eines der grössten Skandale der britischen Monarchie stand, würde niemand vermuten, der es nicht wüsste. Aber natürlich weiss es die ganze Welt, und es wird sich zeigen, ob sie es je vergessen kann. Das Königshaus arbeitet seit vielen Jahren hart daran. Es geht um die Akzeptanz des neuen Königs und letztlich der gesamten Monarchie.

Wer ist der Mensch hinter den Schlagzeilen? «Es tut mir leid, dass Sie heute Morgen eine alte Schachtel fotografieren müssen», so empfing sie vor ein paar Monaten einen Fotografen der «Vogue». Im Herzen ist sie, auf dem Land aufgewachsen, eine Frau vom Land geblieben. Sie liebt Tiere, ihren Garten, ihre Ruhe. Akademisch unambitioniert, gilt sie als intelligent. Sie ist bekannt für ihren geschickten, charmanten Umgang mit Menschen, den sie von Kind an üben musste. Wenn Gäste da waren, sagte die Mutter, eine ehemals gefeierte Schönheit der High Society: «Erzähl von deinem Wellensittich oder deinem Pony, aber halte das Gespräch in Gang.» Später erklärte Camilla mit ihrer vom vielen Rauchen berühmten tiefen Stimme: «Das steckt in mir drin, keine Stille zuzulassen.»

Aus der Geborgenheit der gesellschaftlichen Oberschicht

Camilla Shand wurde in die Geborgenheit und die Zuneigung einer Familie der englischen Upperclass hineingeboren, die ihr grosses Selbstbewusstsein begründeten. Ihre Kindheit und ihre Jugend waren so glücklich, wie solche Jahre nur sein können. Es sollte sich zeigen, dass sie die früh erlangte Stabilität in späteren Jahren bitter benötigen würde. Ihre Familie war tief in ein aristokratisches Leben eingebettet; über Generationen gab es Verbindungen zum königlichen Hof. Camillas Urgrossmutter Alice Keppel unterhielt von 1898 an eine zwölf Jahre dauernde Affäre mit Prince Charles’ Vorfahren König Edward VII. Lange überlebte das Gerücht, gemäss dem Camillas Grossmutter Sonia eigentlich die Tochter des Königs gewesen sei. Womit Charles und Camilla möglicherweise blutsverwandt wären: eine Koinzidenz von kolportagehafter Qualität.

Als Camilla dem Kronprinzen 1971 begegnete, begannen sie eine wechselvolle Beziehung, deren erste Phase nur ein halbes Jahr anhielt. Die lässige, lebenslustige Camilla kam nie als königliche Braut infrage. Denn das Königshaus, aus heutiger Sicht archaisch und brutal, forderte eine Jungfrau. 1973 heiratete Camilla den charismatischen Andrew Parker Bowles, einen Geschäftsmann und Offizier eines der angesehensten Regimenter der Hofreiterei. Der mit ihm befreundete Maler Lucian Freud porträtierte Parker Bowles als blasierten Lebemann, aber zugleich mit tiefer Sympathie, anziehend und abstossend zugleich. Während der fast zweiundzwanzigjährigen Ehe mit Camilla war Andrew Parker Bowles vor allem in seiner Untreue beständig.

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Die meistgehasste Frau Grossbritanniens

Als die noch Verheiratete ihre Beziehung zu Charles wieder aufnahm, soll sie das als Antwort auf die Untreue ihres Mannes getan haben. Unterdessen war Diana als unschuldige Neunzehnjährige auf den Plan getreten und in Tüllwolken vor den Altar geschleppt worden. Niemand hatte damit rechnen können, dass sich die Prinzessin im Laufe ihrer glücklosen Ehe mit Charles vom Opfer in eine geschickte Spielerin verwandeln sollte. Für den zuvor schon durch mehrere Skandale aufgeflogenen Betrug des Gemahls rächte Diana sich 1995 in einer weltweit ausgestrahlten Fernsehsendung.

Camilla zog den Hass der Briten auf sich wie kaum eine andere Frau zuvor, während Dianas Tod 1997 den Status ihrer Unantastbarkeit besiegelte. Camilla Shand war «die andere Frau», die Nemesis der selbsternannten «Königin der Herzen». Lange Zeit wurde die Mutter zweier Kinder verfolgt und bedroht und konnte kaum noch das Haus verlassen. An ihrer Beziehung zu Charles hielt Camilla trotzdem fest, und auch für ihn war sie nach der Scheidung von Diana 1996 nie mehr verhandelbar. «Es gibt nichts, was irgendjemand über unsere Familie sagen könnte, was uns noch erschüttern würde», schrieb ihr Sohn Tom Parker Bowles vor fünf Jahren in der «Times». «Meine Mutter ist kugelsicher.»

Bis heute wird Camilla an Diana gemessen. Schon beim optischen Vergleich mit der schönen Prinzessin konnte sie nicht mithalten – als ob es in Wirklichkeit je darauf angekommen wäre. In den Augen des Volkes aber kam es sehr wohl darauf an. Denn die Briten bestanden auf einer Märchenprinzessin, und die wohltätige, elegante Diana spielte diese Rolle nach aussen perfekt. Wie es hinter den Kulissen aussah, war eine andere Sache.

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König Charles lobt seine «Darling Wife»

Im Lauf der Jahre gab es Hinweise darauf, dass sich die Söhne Dianas mit ihrer Stiefmutter arrangiert haben, sie sogar mit einer gewissen Wärme akzeptieren. Bei der Hochzeit von Camilla und Charles 2005 fungierten Camillas Sohn Tom und Prinz William als Trauzeugen. Die verstorbene Königin hatte schon damals ihren Segen dazu gegeben und noch vor ihrem Tod verfügt, dass Camilla als Queen Consort, Königsgemahlin, anzusprechen sei, im Gegensatz zur regierenden Queen Regnant, die sie selber war.

King Charles III. liess es sich auch in seiner ersten Fernsehansprache nicht nehmen, seine «Darling Wife» zu preisen. Nie fehlt der Hinweis auf ihren ausgeprägten Sinn für Humor und die Stabilität, die sie ihm gebe. Sie selber sagte vor kurzem, Glück bedeute für sie, in seiner Nähe zu sein. Und sei es nur, gemeinsam mit ihm in einem Zimmer zu sitzen und zu lesen. Camilla wird kaum je die Popularität ihrer Vorgängerin erreichen, das weiss sie selbst und sagt, dass sie mittlerweile darüberstehe: «You’ve got to get on with life.» Das Leben geht weiter, mit einer Krone auf dem Kopf und den Kameras der Welt vor dem Gesicht.

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